Elternarbeit / 22.06.2018

Eltern und Lehrer – ein starkes Team

Wie gute Elternarbeit in der Schule gelingt

Wenn Lehrkräfte und Eltern an einem Strang ziehen und schon in der Grundschule zusammenarbeiten, bringt das nicht nur den Kindern viel Positives. Aber in der Praxis hakt es oft, zu wenig Zeit und mangelnde Begeisterung auf beiden Seiten sind nur zwei Gründe dafür. Dabei ist eine gute Elternarbeit besonders in der ersten Schulphase wichtig – und gar nicht so stressig, wenn man einige Empfehlungen beherzigt. Eine Berliner Grundschule hat damit gute Erfahrungen gemacht.

Zwei Puzzleteile passen ineinander
Bild: Shutterstock.com/Tinnakorn jorruang

Schon bevor die Schultüte gefüllt wird, zeigt Renate Fabian den Eltern der neuen Erstklässler/-innen die klare Kante: "Ich sage ihnen ganz deutlich, dass ich an ihre Zeit und ihr Geld ran will", sagt die resolute Berlinerin mit einem gewinnenden Lächeln. Die Mitwirkung der Eltern ist an der Neuköllner Grundschule am Sandsteinweg, liebevoll "SamS" genannt, ein fester Bestandteil des Schulkonzepts. Renate Fabian, selbst Mutter einer ehemaligen Schülerin und heute Vorsitzende des Fördervereins, hat dort zusammen mit der Schulleiterin und Lehrkräften eine breite Elternarbeit aufgebaut, wie sie selten ist. In der Regel wird zwar viel über Elternmitwirkung gesprochen, aber in der Praxis hapert es oft.

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Vertrauen zwischen Eltern und Lehrer/-innen nützt den Kindern

Werden Eltern von Anfang an aktiv in das Schulleben eingebunden, hat das viele Vorteile – für Kinder, Lehrkräfte und Eltern –, darin sind sich Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft einig. "Im Schulalltag bauen sich so vertrauensvolle Beziehungen auf, während sich Eltern und Lehrer sonst öfters eher als Gegner gegenüberstehen", sagt etwa Angelika Henschel, die als Professorin für Sozialpädagogik an der Leuphana Universität Lüneburg viele Beispiele praktischer Elternarbeit analysiert hat. Haben Lehrer/-innen und Eltern einen guten Draht zueinander aufgebaut, schon bevor ein Kind in eine Krise schlittert, ist es viel leichter, Probleme zu lösen. Muss in einer Krise erst mit einer formalen Einladung zu einem Elterngespräch der Anfang gemacht werden, ist das oft keine gute Basis für eine vertrauensvolle, rasche Problemlösung von Familie und Lehrer/-innen. 

"Wenn man sich schon vor der Einschulung mit den Eltern über die Zusammenarbeit und die Aufgaben der Eltern und der Schule verständigt, reduziert das Reibungen. Und die Bildungsbiografien der Kinder verlaufen erwiesenermaßen positiver, als wenn Eltern und Lehrer eine Das-wird-schon-funktionieren-Mentalität praktizieren", sagt Rüdiger Bockhorst, der heute als Projektleiter der Reinhard-Mohn-Stiftung arbeitet und sich zuvor als Vorstand des Vereins Anschub.de für die Förderung von Schulen eingesetzt hat. Zudem eröffnet oft erst das Engagement der Eltern den Kindern neue Chancen, sich jenseits des Klassenraums auszuprobieren und weiterzuentwickeln, weil Sport- und Freizeitangebote ohne Elternhilfe nicht zu stemmen wären.

Keine Angst vor Augenhöhe

Die Grundschule am Neuköllner Sandsteinweg hat sich zu einem Magnet weit über die Grenzen ihres Einzugsgebiets hinaus entwickelt. Kein Wunder – das weitläufige Schulareal ist ein Paradies für die Erst- bis Sechstklässler, mit viel Grün, Spielflächen zum Toben, Kaninchen, die von Schulkindern gepflegt werden, und als Krönung einem eigenen Reitplatz mit sechs Ponys. Um das aufzubauen, haben die Schulleiterin, Lehrer/-innen und Eltern viel Schweiß, Geld und Geduld hineingesteckt – und viele wertvolle Erfahrungen gewonnen, die auch für den Aufbau kleinerer Elternprojekte wertvoll sind.

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Erwartungen schon vor der Einschulung klar aussprechen

Für Heike Hertha, Lehrerin und Koordinatorin der Elternarbeit, geht es früh los: Den Eltern möglichst schon vor der Einschulung zu sagen, wie stark ihre Mitarbeit erwünscht ist – und auch erwartet wird –, das ist für sie ganz wichtig. Das traditionelle Kennenlernfest nach der ersten Schulwoche, eine aufgelockerte Abendveranstaltung inklusive Sektempfang und gemeinsamem Essen, bringt alle zusammen. Geht der Schulalltag dann richtig los, beginnt für Heike Hertha die intensive Kommunikation: "Wenn ich eine neue Klasse übernehme, hänge ich ganz schnell am Telefon", sagt die Lehrerin, die dabei bewusst auf Mails verzichtet, um Missverständnisse zu vermeiden. "Offen, authentisch und auf Augenhöhe regelmäßig zu kommunizieren, darauf lege ich Wert." 

Gemeinsame Eltern-Lehrer-Wochenendfahrten nach Ahlbeck an die Ostsee bringen intensive Gespräche, ähnlich einer Klausurtagung. Im Laufe des Schuljahres helfen Eltern bei Schulfesten, bei Arbeitseinsätzen in Klassenräumen oder auf dem Freigelände sowie durch Geldspenden, oder sie gehen als "Lesemütter" in die Klassen. "Wir erreichen natürlich nicht alle Eltern, aber 60 bis 70 Prozent engagieren sich", sagt Heike Hertha. Auch wenn die Elternarbeit fest im Schulkonzept verankert ist, seien natürlich nicht 100 Prozent der Lehrkräfte voll dabei. Sie hält aber nichts davon, Eltern oder Lehrer/-innen ohne eigenen Antrieb unter Druck zu setzen. "Man muss schon mit Freude dabei sein, damit es etwas bringt."

Der Funke muss überspringen

Für Renate Fabian, Förderverein-Vorsitzende und "gute Seele" außerhalb des Klassenzimmers, sind auch die Persönlichkeiten, die die Elternarbeit vorantreiben, entscheidend. "Da muss Begeisterung überspringen, das muss glaubhaft vorgelebt werden und auf der persönlichen Ebene stimmen", sagt sie. "Unsere Schulleiterin ist sich für nichts zu schade, sie fegt auch zwischendurch mal über den Schulhof oder füllt das Toilettenpapier auf. Wenn Engagement an der Spitze vorgelebt wird, motiviert das auch die Eltern."
Das Engagement wird belohnt: Regelmäßig übersteigt die Zahl der Neuanmeldungen in der Berliner Grundschule die Zahl der verfügbaren Plätze für Erstklässler, manche Eltern klagen sich sogar ein. Weitaus mehr Kinder wechseln später auf ein Gymnasium als im bundesweiten Durchschnitt. "Wenn ihre Eltern in der Schule präsent sind und sich hier einbringen, macht das die Kinder stolz", beobachtet Heike Hertha. "Das verbessert das Klima der Schule, und das spürt man gerade bei den Kindern, die auffällig sind."

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Auch wer sich mit Geld "freikauft", ist willkommen

Nicht alle Eltern haben freilich die Zeit, sich regelmäßig ins Schulleben einzubringen. "Die kaufen sich immer mehr frei", bringt es Renate Fabian auf den Punkt. Angesichts der wachsenden Zahl von Alleinerziehenden in der Gesellschaft und steigenden Arbeitsanforderungen hat sie dafür Verständnis, wenn manche Eltern lieber Geld spenden, als zum Malerpinsel zu greifen, Zuckerwatte auf dem Schulfest zu verkaufen oder den Abwasch zu machen.
Die Schule sollte den Eltern verschiedene "Landeflächen" anbieten, fasst Projektleiter Rüdiger Bockhorst zusammen, von der Geldspende bis hin zum aktiven Mitgestalten. Die Zusammenarbeit mit den Eltern sollte zudem ein fester Bestandteil der Lehrerausbildung sein, wünscht er sich. "Damit der Nachwuchs schon in der Ausbildung praktische Erfahrungen macht und Vorbehalte abbaut."

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Engagierte Eltern gibt es in jeder Klasse

Heutzutage hätten Lehrerinnen und Lehrer oft mehr Ängste und Vorbehalte als früher in puncto Elternarbeit, beobachtet auch Andrea Hoberg, Mutter und Referentin der Cornelsen Akademie, unter anderem für Elternmotivation und Kommunikation. Denn nicht wenige Eltern seien bereit, in Streitfragen auf harten Konfrontationskurs zu gehen, oder gar zum Anwalt. Sie bedauert das: "In jeder Klasse gibt es Eltern, die sich gern einbringen." Um dieses Potenzial zu nutzen, komme es vor allem auf eine gute Kommunikation an. "Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass Lehrer/-innen Eltern eher anweisen, etwa zum Schulfest Kuchen zu backen oder die Klassenfahrt vorzubereiten. Viel besser ist es, die Eltern wirklich einzubinden, das ist eine Frage der Haltung." Dabei schaffe eine offene Kommunikation, die Eltern und ihre Ideen und Wünsche ernst nimmt und wertschätzt, nicht nur ein besseres Klima, sondern auch Verbesserungen für die Kinder, um die es ja schließlich in erster Linie gehe.

Finden Sie hier unsere sieben Praxistipps für bessere Elternarbeit.

Neues wagen, statt sich um Nachfolger zu sorgen

Gerade diese Offenheit sei auch gefragt, wenn der Schulwechsel näher rückt. Oft schält sich im Laufe der Grundschulzeit ein harter Kern von Eltern heraus, die den Großteil des Engagements tragen. Gehen die Kinder dann auf die weiterführende Schule, droht manchen Projekten ein sanfter Tod. Was Schulleitung und Lehrer/-innen die Sorgenfalten auf die Stirn treibt, sieht Andrea Hoberg ganz gelassen. "Dann braucht es Flexibilität und offene Ohren und Türen für die neuen Kinder und Eltern. Vielleicht wollen sie etwas ganz anderes, eigenes aufbauen, statt in ausgetretenen Pfaden weiterzulaufen. Und dafür sollte man unbedingt offen sein und entspannt damit umgehen.“

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