Referendariat / 07.12.2021

Leistung richtig messen - Fallstricke vermeiden

Tipps und Hilfen 

Leistungsmessung und Notenvergabe sind für Referendarinnen und Referendare, Junglehrerinnen und Junglehrer verständlicherweise ein großes Thema. Was Sie dabei bedenken sollten und welche typischen Fehler es zu vermeiden gilt, erfahren Sie in diesem Artikel. Sie werden sehen: Es ist alles halb so wild!

Lehrerin sitzt mit einem Taschenrechner am Laptop
Bild: stock.adobe.com/deagreez

Gewusst, wie: Leistung richtig messen

Sobald Sie Schülerinnen und Schüler selbstständig unterrichten, kommt automatisch auch das Thema "Leistungsmessung" auf Sie zu. Vielleicht haben Sie an der Stelle ein etwas mulmiges Gefühl. Der Gedanke, eine Schülerin oder einen Schüler unfair zu bewerten, und die Vorstellung, sich aufgebrachten Eltern gegenüber für jeden Punkt(-abzug) rechtfertigen zu müssen, können schon mal nervös machen. An dieser Stelle haben wir allerdings gleich zwei gute Nachrichten für Sie: 

  1. Notengebung ist Übungssache. Mit zunehmender Routine gewinnen Sie auch immer mehr Sicherheit.
  2. Es gibt viele bewährte Tipps, die Ihnen zuverlässig helfen.
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Machen Sie sich bewusst, dass bei der Leistungsmessung viel zusammenkommt

Die Leistungsmessung ist immer ein komplexer Prozess, an dem viele verschiedene Faktoren beteiligt sind. Neben dem Schülerinnen und Schüler selbst haben nämlich auch Ihr Unterricht und nicht zuletzt die Schule Einfluss auf die Messung. Sie und Ihr Unterricht sind dabei eine ganz zentrale Größe: Sie entscheiden, welche Kompetenzen Sie beurteilen, Sie konzipieren die Prüfungen – und damit die Messinstrumente –, Sie führen sie durch und korrigieren sie. Zum Schluss bewerten Sie dann auch noch die Messung, die Sie selbst entwickelt haben. 

Prüfungssituationen werden immer vom Prüfungsablauf, dem Prüfling und dem Prüfer bestimmt. Ihre Schülerinnen und Schüler bringen wiederum weitere Variablen mit, unter anderem in Form von Tagesform, Motivation, bisherigen Prüfungserfahrungen und der eigenen Vorbereitung. Den Prüfungsablauf bestimmen Sie – unter anderem über die Faktoren Form, Dauer und Korrekturvorgang. Während der Prüfung nehmen Sie dann weiteren Einfluss auf die Leistungsmessung, zum Beispiel durch Ihre Tagesform und Motivation, durch Ihren Umgang mit Täuschungsversuchen und auch durch mögliche Hilfestellungen, die Sie anbieten. 

Die Schülerinnen und Schüler liefern Ihre Leistungen also nie in einem Vakuum ab und Sie selbst beeinflussen die Leistungsmessung ebenfalls. Ihre eigenen Vorstellungen und Haltungen wirken sich direkt auf Ihre Beurteilung aus. Man könnte auch sagen: Sie sehen und beurteilen, was Sie sehen und beurteilen möchten

Sorgen Sie im Vorfeld für klare Kriterien

Damit die Leistungsmessung fair und transparent vonstatten gehen kann, sollten Sie im Vorfeld mit Ihren Schülerinnen und Schülern über die Lernziele sowie über Ihre Erwartungen und die Kriterien für die Bewertung sprechen. Besonders nachvollziehbar werden sie, wenn Sie die Kriterien gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern erarbeiten. Die Gütekriterien, die Sie definiert haben, sollten Sie beim Erstellen von Tests und Prüfungen dann immer im Blick behalten – gleiches gilt natürlich auch bei der Auswertung. Achten Sie darauf, bei der Zuordnung der Leistung zu einem Wert möglichst einheitlich, also nach einem standardisierten Schema vorzugehen. Wenn die Erwartungen klar sind und Ihr Vorgehen bei der Bewertung für die Schülerinnen und Schüler transparent und einheitlich ist, steigt der Grad der subjektiv empfundenen Fairness.

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Typische Fehler gekonnt vermeiden

Seien Sie nicht zu streng. Einen guten Anhaltspunkt gibt Ihnen Ihr "Ruf" bei Ihren Schülerinnen und Schülern und auch unter den Kolleginnen und Kollegen. Sagt man Ihnen nach, besonders streng zu sein, sollten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen um Hilfe bitten. Sprechen Sie beispielhaft konkrete Schülerleistungen durch und hören Sie sich an, wie die Kolleginnen und Kollegen hier entschieden hätten. Umgekehrt gilt: Sind Sie bei Ihren Schülerinnen und Schülern auffällig beliebt, bei den Kolleginnen und Kollegen aber weniger populär, kann das an einer zu lockeren Notenvergabe liegen. Auch in diesem Fall sollten Sie sich mit den Kolleginnen und Kollegen beratschlagen – und das Niveau dann gegebenenfalls angebracht anziehen. 

Die Angst vor den vermeintlich gefährlichen "Extremen" in der Notengebung führt gerade am Anfang manchmal dazu, dass sich die Zensuren nur zwischen "gut" und "ausreichend" bewegen. Wenn Sie Ihr Notenbuch einmal ehrlich und selbstkritisch überprüfen, fällt Ihnen das gegebenenfalls schnell auf. Überdenken Sie dann Ihre Prüfungsgestaltung – und trauen Sie sich, die komplette Notenskala angemessen zu beanspruchen. Während der eine Einsen, Fünfen und Sechsen meidet, neigt der andere zu Extremen. Auch hier sollten Sie sich Ihr Notenbuch einmal genau anschauen: Ist es voll mit "emotionalen Spitzen" und auffällig wenigen Dreien und Vieren, sollten Sie versuchen, bewusst neutraler zu bewerten. 

Achten Sie außerdem darauf, dass Ihre Beurteilung nicht verfälscht wird. Das kann zum Beispiel aufgrund der Korrektur-Reihenfolge passieren, wenn nach vier sehr starken Arbeiten die fünfte im Kontrast deutlich schlechter wirkt. Eine Lösung kann es sein, erst alle arbeiten durchzukorrigieren und sich dann in einem nächsten Schritt an die Notenvergabe zu setzen. Erinnern Sie sich zudem selbst daran, nur die gerade gemessene Leistung zu bewerten. Haben Sie bei der Korrektur noch im Hinterkopf, dass Jan doch sonst immer viel besser ist und letztens noch ein ganz tolles Referat gehalten hat, kann auch das die Bewertung verzerren. Gleiches gilt bei Sympathien oder Antipathien – gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, die Prüfungen anonym zu bewerten oder sich eine Zweitmeinung einzuholen. Auch Mädchen und Jungen unbewusst unterschiedlich zu bewerten, ist selbstverständlich problematisch. Spätestens wenn sich Mädchen oder Jungen immer wieder bei Ihnen beschweren, sollten Sie einmal genau überprüfen, wie Sie sie bewerten.

Übrigens: Auch wenn Sie bei Ihrer Leistungsmessung generell ein gutes Gefühl haben, lohnt es sich, sich immer mal wieder mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Bewertungsfehler sollten Sie sich eingestehen und über das Vier-Augen-Prinzip regelmäßig der Betriebsblindheit entgegenwirken. Denn so beruhigend die Routine sein mag – zu viel von ihr ist selbstverständlich auch nicht gut.

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